von Sabine KNOLL
Die amerikanische Karriereberaterin und Autorin Barbara SHER prägte den Begriff „SCANNER“ für mehrfach begabte Menschen.
In ihrem Buch „Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast“
(Deutsche Ausgabe: München: dtv, 2008 – 4. Auflage 2015; amerikanische Originalausgabe: „What do I do when I want to do everything?“, Rodale Inc., 2006)
beschreibt sie Scanner als Menschen, die
* sich häufig nur schwer zwischen ihren verschiedenen Talenten und
Begabungen entscheiden können,
* sehr neugierig und wissbegierig sind,
* einen regen und schnellen Geist besitzen,
* sich rasch für Neues begeistern,
* gerne kreativ etwas entwickeln und gestalten,
* sich nicht bis zur Pension auf einen Beruf festlegen wollen und
* die Vielfalt als Qualität in ihrem Leben begreifen,
* manchmal aber auch darunter leiden.
Manche Scanner haben Probleme, mit etwas zu beginnen, weil sie sich nicht entscheiden können, womit sie beginnen wollen.
Andere haben Probleme, Projekte abzuschließen.
Die größte Angst vieler Scanner ist es, ihr Potenzial nicht voll auszuschöpfen und zu wenig Lebenszeit zur Verfügung haben.
Indem sie sich aufgrund ihrer vielen Interessen zu viel gleichzeitig aufbürden, können sich Scanner (vor allem, wenn sie auch HSP sind), leicht erschöpfen.
Andere Scanner ermüden leichter, wenn sie sich unterbeschäftigt fühlen, ihr aktiver Geist braucht die Beschäftigung und Anregung.
Deutsche Autorinnen, die Hochbegabung und Hochsensitivität/Hochsensibilität in Zusammenhang bringen (z. B. Anne HEINTZE - „Auf viele Arten ANDERS – Die vielbegabte Scanner-Persönlichkeit: Leben als kreatives Multitalent“, München: Ariston Verlag 2016), sehen als Hochbegabte auch die Scanner-Persönlichkeiten an.
Frühere Universalgenies wie etwas Leonardo da Vinci werden häufig als Beispiele für die vielbegabten Scanner-Persönlichkeiten angeführt.
Abgrenzung
Barbara Sher grenzt Scanner ganz klar von Menschen mit Vermeidungstaktik ab, die zum Beispiel Angst davor haben, zu versagen etc., und deshalb Entscheidungen vermeiden.
Auch depressive Menschen, die sich schwer dabei tun, sich einer Sache zu widmen, halten sich manchmal fälschlicherweise für Scanner. Unlust gehört zu den Syptomen einer Depression.
Auch ADS, das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, weist Ähnlichkeiten auf.
Als Unterscheidung nennt Barbara Sher, bei der auch ADS diagnostiziert wurde, den „vernebelten Geist“ während einer ADS-Attacke und dass es ihr dann schwerfalle, irgendetwas zu folgen.
Als Scanner fühlt sie sich von mehreren Dingen gleichzeitig angezogen und kann sich deshalb oft nicht entscheiden, das fühlt sich für sie aber anders an.
Arten von Scanner-Persönlichkeiten
Barbara Sher teilt die Scanner in
1. Zyklische Scanner und
2. Sequenz-Scanner ein
und findet für jede der beiden Gruppen mehrere Untertypologien.
Diese wissen, was sie gerne machen, und kommen immer wieder darauf zurück, währendSequenz-Scanner sich immer wiede für neue und ganz andere Interessensgebiete be-
geistern.
1. Zyklische Scanner
Zu den Zyklischen Scannern zählen:
1.1. „Doppelagenten“:
Sie wollen meist nur zwei Dinge tun, glauben aber, sich zwischen den
beiden entscheiden zu müssen. Sie würden am liebsten mehrere Berufe ausüben, in
mehreren Städten oder Ländern leben. Sie überlegen manchmal, ihren Job zu kündigen
und etwas ganz Neues anzufangen. Am liebsten würden sie zwei Menschen sein.
Lösungen können sein, selbstständig und projektbezogen zu arbeiten, Teilzeitjobs
anzunehmen, ortsungebundene Telearbeit zu machen oder Berufe, die mit Reisen
verbunden sind, saisonale Jobs anzunehmen, einen Brotjob zu haben und in der Freizeit
die vielen Interessen auszuleben etc.
1.2. „Sibyllinische Scanner“ (Sibyllen):
Sie haben viele Interessen, zwischen denen sie sich hin- und hergerissen fühlen.
Durch ihr Gefühl der Konfusion und ihr Chaos empfinden sie sich wie gelähmt und tun deshalb manchmal gar nichts. Sie könnten 20 Personen gleichzeitig sein und würden immer noch keine Langeweile empfinden. Sie entdecken gerne Neues, tun sich aber schwer, begonnene Projekte abzuschließen. Sie fürchten manchmal, sich nie genug Fachwissen in einem Bereich aneignen zu können, um darin angesehen zu
sein. Ihnen fehlt oft die Struktur.
Ihre Auswege sind z. B. mehrere Einkommensquellen,
Selbstständigkeit zu Hause, um dem persönlichen Rhythmus folgen zu können, Schirm-
Berufe (wie Journalist/-in, Autor/-in, Trainer/-in etc.), in denen verschiedene Themen-
bereiche Platz finden, Beratungstätigkeit etc.
1.3. „Tellerjongleure“:
Sie haben viele Projekte am Laufen und sind die Schnellsten unter den Zyklischen Scannern. Sie sind oft auch die Retter in Notfällen, die blitzschnell reagieren
und für alles Lösungen finden. Es fällt ihnen schwer, "Nein" zu sagen, wenn andere um Hilfe bitten. Sie werden gerne gebraucht, aber auch manchmal ausgenutzt. Sie sollten
delegieren lernen oder gesammeltes Wissen an andere weitergeben, um sich wieder frei
für Neues zu machen. Sie könnten eine Ideenschmiede gründen, um andere mit Ideen zu versorgen.
2. Sequenz-Scanner
Diese Scanner blicken laut Barbara Sher ausschließlich nach vorne und nehmen nicht
frühere Projekte – wie Zyklische Scanner – wieder auf. Sie finden das Leben zu kurz, um
etwas zweimal zu machen. Barbara Sher unterscheidet auch hier verschiedene Typen.
„Serienspezialisten“.
Ihr Lebenslauf könnte von mehreren Personen stammen.
Sie können tief in Projekte eintauchen, verlieren aber das Interesse, sobald sie das Neue
erforscht haben. Auch wenn sie erfolgreich damit sind, schmeißen sie dann wieder alles
hin und beginnen etwas anderes. Sie tun sich deshalb besonders schwer, zu Expert(inn)en auf einem einzigen Gebiet zu werden. Meist macht es ihnen mehr Spaß,
etwas aufzubauen, als es mit Routine weiterzuführen.
Schirm-Berufe in Tätigkeitsfeldern wie Schreiben oder Lehren eignen sich gut für sie.
2.1. „Serienmeister“:
Serienmeister sind Serienspezialisten zum Quadrat. Sie erlangen
Meisterschaft in allem, was sie anpacken. Mit Durchschnittlichkeit sind sie nicht zufrieden, sie wollen perfekt sein. Sie stehen auch gerne im Rampenlicht und bekommen Applaus für ihre Leistungen. Sie leiden unter Zeitnot, weil sie sich immer mehr neue Fähigkeiten erarbeiten. Serienmeister lieben es auch, ihre Grenzen immer weiter hinauszuschieben.
Im Gegensatz zu anderen Scannern tun sie sich aber schwer, neue Herausforderungen zu finden, wenn sie Meisterschaft auf einem Gebiet erlangt haben. Sie sind Führungs-
persönlichkeiten und können andere motivieren, ihre eigenen Grenzen zu überwinden und erfolgreich zu werden.
Auch beratende Berufe eignen sich gut für sie.
2.2. „Universalisten“:
Sie haben häufig mehr Zeugnisse und Abschlüsse in unterschiedlichen
Bereichen als die meisten anderen Menschen. Sie probieren gerne vieles aus, entwickeln
aber nur selten eine Leidenschaft für einen einzigen Aufgabenbereich. Meist sind sie auf
vielen Gebieten gut, aber auf keinem herausragend, worunter sie auch leiden können.
Nachdem sie als zuverlässig und kompetent gelten, sind sie in Firmen beliebte
Mitarbeiter/-innen. Universalisten ist in erster Linie das Umfeld wichtig, ihnen geht es um
die Menschen, mit denen sie arbeiten. Sie wollen nicht besser sein und sind selten
erfolgsorientiert. Projektarbeit zum Beispiel eignet sich für sie gut, ebenso eine Vielfalt an Einkommensquellen.
2.3. „Wanderer“:
Sie probieren gerne unterschiedliche Jobs und Lebensweisen aus, interessieren sich für viel Verschiedenes, scheinbar Unzusammenhängendes. Sie haben zwar den nächsten Schritt, aber keine klare Richtung in ihrem Leben vor Augen. Sie lieben neue
Erfahrungen und haben meist keinen Plan. Wenn sie der inneren Führung vertrauen, geht es ihnen am besten. Nachdem sie sich auf diese Weise viele Fähigkeiten aneignen,
bekommen sie auch immer wieder neue Jobs. Sie sind gerne Reisende und Wanderer in
jeder Hinsicht, äußerlich und durch verschiedene Interessensgebiete.
2.4. „Ausprobierer“:
Ausprobierer wollen fast alles ausprobieren. Expertenschaft finden sie langweilig. Sie lernen Neues am liebsten aus eigener Erfahrung. Andere werfen ihnen manchmal mangelnden Ehrgeiz vor. Sie wünschen sich häufig, doppelt so lange zu leben,
um alles ausprobieren zu können. Sie brauchen die Abwechslung und wünschen sich
Kreativität in so vielen Bereichen wie möglich.
Sie fühlen sich wohl in zeitlich begrenzten
Arbeitsverhältnissen oder mit einem Brotjob, der Raum für viele private Aktivitäten lässt.
Auch eine Lehrtätigkeit mit vielen verschiedenen Inhalten ist für sie geeignet.
2.5. „Turbo-Wechsler“:
Sie fangen so häufig etwas Neues an, dass ihnen davon schon selbst ganz schwindlig wird. Sie finden alles interessant. Projekte abschließen zu müssen, nervt sie. Sie haben eine sehr schnelle Auffassungsgabe und erkennen häufig das Potential in den Dingen. Sie brauchen die Vielfalt und wollen sich ganz und gar nicht auf ein Gebiet festlegen.
Sie sprühen vor Ideen.
Turbo-Wechsler fühlen sich wohl als Journalist(inn)en,die immer wieder etwas Neues recherchieren, als Erfinder etc.
Die Grenzen zwischen den Typologien sind manchmal fließend. Sie dienen nur dazu, ein
Gefühl dafür zu bekommen, ob man selbst eine Scanner-Persönlichkeit sein könnte.
Barbara Sher bietet in ihrem Buch viele Werkzeuge und mögliche Lebensmodelle an, die Scanner-Persönlichkeiten das Leben erleichtern sollen. Sie ermutigt Scanner, ihrer
Neugier zu folgen, und zeigt Wege auf, wie aus der Vielfalt ein erfolgreiches Leben
gestaltet werden kann.
© Sabine KNOLL
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